SportAusbildung und Motivation (SAM)

Das Förderkonzept des Flugsport Club Schwandorf

Der Bericht aus dem aerokurier 01/2005 ergänzt um weitere Folien

Update: 22.1.05

 

Segelfliegen

 richtig lernen

   Wie geht's weiter nach dem Segelflugschein?

In vielen Vereinen sind die neuen Piloten auf sich gestellt - und schaffen nicht  den Sprung zum sportlichen Segelfliegen, im schlechtesten Fall resignieren sie und geben auf.

Nicht so im Flugsportclub Schwandorf.

Wer mit dem Segelflug beginnt, dessen höchstes Ziel ist zunächst einmal die Lizenz. Eigenverantwortlich fliegen können, das steht ganz oben auf der Wunschliste. Aber was macht man dann mit dem Schein? So lapidar diese Frage erscheint, ist sie in der Praxis nicht. Jedenfalls wissen viele Scheinneulinge nicht so recht, wie es weitergeht, wenn sie denn erst einmal ihr großes Ziel erreicht haben. Sie schaffen es nicht, die Lizenz als Basis für bereichernde Segelflugerlebnisse, für das Lösen aus der heimatlichen Flugplatzumgebung, für den Einstieg in spannende Streckenflüge zu nutzen. Oft sind sie allein auf sich gestellt, ohne Unterstützung. Wer so stagniert, der hat mit dem Luftfahrerschein schon den Höhepunkt seiner fliegerischen Karriere erreicht. Was dann ansteht, ist die Wieder-holung längst gemachter Erfahrungen, Langeweile, Frust und am Ende die Ausschau nach einer anderen (vermeintlich) spannenderen Freizeitbetätigung.

Im Team zu Streckenflugerlebnissen
Bei den ehrenamtlichen Fluglehrern in den Vereinen erzeugt das nicht minder Frust. Sie stecken viel Engagement in die Ausbildung und müssen dann sehen, dass die neuen Piloten zum großen Teil dem Verein rasch wieder verloren gehen.

Das muss nicht zwangsläufig so sein. Jedenfalls nicht, wenn sich die Ausbildung zum Segelflieger nicht allein auf die Schulung zum Luftfahrerschein beschränkt. Erst wenn über die Lizenzausbildung hinaus die Piloten zum Streckensegelfliegen angeleitet werden, öffnet sich für viele von ihnen die Erlebniswelt des Segelflugs. Diese Piloten bleiben dem Verein erhalten, und die Fluglehrer dürfen sich für ihren Einsatz belohnt fühlen.

Wie solch ein Fortbildungsangebot im Verein aussehen kann, zeigt der Flugsportclub Schwandorf seit mittlerweile zwei Jahren erfolgreich. Im Jahr 2004 hat das Förderkonzept den Schwandorfern sogar die Auszeichnung im Segelflugszene-Wettbewerb Von Null auf hundert eingetragen, mit dem die pfiffigsten Konzepte gesucht wurden. Ihr Preis: ein Volkslogger.
Wolfgang Schuierer und Roland Biesen (li.), beide Segelfluglehrer des FLC Schwandorf, haben das Konzept entwickelt. Ihr Leitmotiv für die Streckensegelflugschulung: „Streckensegelfliegen ohne Stress“. Bereits nach einer Flugsaison konnten sie beachtliche Erfolge verzeichnen.
Das Schwandorfer Konzept steht auf drei Säulen:
1) einem internen Teamwettbewerb,
2) Streckenflugschulung mit Übungen, dokumentiert in einem Streckenflugpass, und
3) Leistungsabzeichen, die jedes Jahr neu erworben werden können.
Der interne Teamwettbewerb wurde in Anlehnung an bereits bestehende Wettbewerbe in anderen Vereinen (LSG Bayreuth, SG Isartal) entwickelt. Die Teilnehmer, das sind immerhin zirka 80 Prozent der PPL(C)-Piloten im FLC Schwandorf, werden dazu in Teams eingeteilt.
Die Teams werden aus Streckenflugeinsteigern und erfahrenen Streckensegelfliegern gemischt zusammengesetzt. Basis für die Unterscheidung sind die Leistungen in der vorangegangenen Flugsaison, herangezogen wird der jeweils punkthöchste OLC-Flug.
Um die Leistungen der Piloten dann für den Teamwettbewerb vergleichbar zu machen, werden sie mit Bonus-/Malus-Faktoren belegt. Die Faktoren sind so gestaltet, dass die Streckenfluganfänger für einen 200-Punkte-OLC-Flug 500 Punkte für ihr Team erhalten. Die Spitzenpiloten müssen für 500 Team-Punkte bereits 1000 OLC-Punkte erfliegen. Jeder Teilnehmer kann zwei Flüge in sein Team einbringen.
Die gemischte Zusammensetzung der Teams hat fast automatisch ein natürliches Interesse der erfahrenen Piloten an den Streckenfluganfängern in ihrem Team zur Folge. Denn letztendlich zählt die Teamleistung. Es kommt deshalb zwangsläufig dazu, dass die Erfah-reneren sich der Einsteiger annehmen und diese mitziehen. Am Jahresende wird mit einer Siegerfeier Bilanz gezogen.
Die zweite Säule des Förderkonzepts, der Streckenflugpass, kennt drei Ausbildungsabschnitte, die sich am Leistungsstand des Streckenfluganfängers orientieren. Für die Einstufung werden wieder die OLC-Punkte herangezogen:
In Stufe 1 fliegen die Einsteiger bis 100 OLC-Punkte, in Stufe 2 Fortgeschrittene bis 200 OLC-Punkte und in Stufe 3 Piloten mit 400 OLC-Punkten und mehr.
Die Trainingseinheiten zum Streckenflugpass konzentrieren sich dann in den Leistungsstufen auf fünf Kompetenzbereiche:
> das Zentrieren und den Kreisflug,
> die Außenlandung,
> Navigation und Streckenflugplanung,
> den Vorflug und
> den Endanflug.
Die einzelnen Übungen dazu sind zum Großteil aus zentralen Streckenfluglehrgängen, wie sie von Schulen und
Landesverbänden angeboten werden, abgeleitet und um weitere ergänzt worden. In diesen zentralen Kursen werden Streckenflugtheorie, Meteorologie, der Umgang mit Loggern und Auswerteprogrammen vermittelt. Auch dort wird in Teams mit vier bis fünf Flugzeugen und jeweils einem Trainer geflogen.
Viel Augenmerk wird im Flugsportclub Schwandorf auf die Sicherheit gelegt. So gehören zum Beispiel zum Kompetenzbereich Außenlandung Ziellandeübungen am eigenen Platz, Außenlandeübungen mit dem Motorsegler und Landungen auf
benachbarten Plätzen. Im Bereich Navigation und Streckenflugplanung ist zunächst viel Kartenarbeit mit anfänglich der 1:200000er-Karte mit Flugsicherungsaufdruck und danach der ICAO-Karte nötig, um den Bereich bis zirka 100 km um den Platz kennen zu lernen.
In den folgenden Flügen wird dann das theoretisch erwor-bene Wissen in der Praxis umgesetzt. Bewusst wird in den Übungsflugzeugen kein Moving Map eingesetzt, da die Zuordnung von Landschaftsmerkmalen zum Kartenbild und umgekehrt wichtig für exakte Positionsmeldungen und natürlich zur Navigation bei Störungen im GPS-System ist.
Ins Training der Kompetenzbereiche Zentrieren und Kreisflug, Vorflug und Endanflug sind nicht nur die Vereinsfluglehrer, sondern auch erfahrene Streckenflug-piloten eingebunden, die dann als Coach fungieren. Geflogen wird im Team. Im Debriefing werten die Streckenflugeinsteiger die Übungen mit ihrem jeweiligen Coach mit Hilfe des aufgezeichneten Flugweges aus und erfahren so, was gut gelaufen ist, wo Fehler gemacht wurden und was sie verbessern können.

Die Trainingsschritte im Beispiel
Dazu ein Beispiel: Anhand einer Flugwegaufzeichnung eines Streckenfluganfängers wird die Übung „Fliegen im oberen Drittel der Basishöhe und Endanflug“ erläutert:


In Flugpfad und Barogramm (Abb.) ist der Übungsabschnitt für das Fliegen im oberen Drittel gekennzeichnet. Der Flug wurde mit einem Flugzeug mit Index 100 durchgeführt. Üblicherweise werden Streckenfluganfänger Flugzeuge mit Index 96 bis 106 fliegen. Falls hier andere Muster eingesetzt werden, müssten die Kriterien angepasst werden.
Die Übungen für den Endanflug sind so aufgebaut, dass der erste aus 10 km Entfernung und 1000 m Ausgangs-höhe bei MacCready 1 und Windstille geübt wird. Das entspricht einem Gleitwinkel von 1:10. Die Entfernung wird bei den ersten Übungen so gering gewählt, damit im Sinne von stressfreiem Fliegen die Hürde zum Verlassen des Platzbereiches schrittweise überwunden werden kann und der Übende den Platz noch erkennen und sich so von oben an den optimalen Gleitwinkel herantasten kann. Der Anfangsgleitwinkel kann auch höher als 1:10 liegen, je nach Anflugbedingungen. In Schwandorf wurde er so gewählt, da es aus fast allen Richtungen die letzten 3 bis 5 km keine Außenlandemöglichkeiten gibt.
In jeder Ausbildungsstufe wiederholen sich die Übungen auf einem höheren Anforderungsniveau. Bei konsequenter Einhaltung ist die Leistungssteigerung direkt zu verfolgen. Der Streckenflug-anfänger kann selbst leicht abschät-zen, wo er steht. Bei Erreichen der Stufe 1 im Kompetenzbereich Vorflug mit einem Schnitt von 40 km/h kann ihm schnell verdeutlicht werden, dass er in drei Stunden einen OLC-Flug von 100 bis 150 Punkten erreichen kann.
Voraussetzung für alle Übungen und Streckenflüge außerhalb der Platz-umgebung ist das Erreichen der Lern-ziele der Ziel-/Außenlandeübungen. Streckenflüge in der Zeit der Abarbei-tung des Streckenflugpasses sind natürlich nicht tabu. Schließlich soll ja das stressfreie Überlandfliegen vermittelt werden. Der Spaß soll nicht zu kurz kommen.
Mit dem Erreichen der ersten OLC-Punkte werden – nach Alleinflugreife und Lizenz – weitere Leistungsabzeichen erworben. Dies ist die dritte Säule des Konzeptes.
Das Schwandorfer Leistungsabzeichen ist ein Fliegerhut mit Vereinsemblem, dem Namen des Piloten, der Jahres-zahl und der entsprechenden farbigen Schwinge, je nach erreichtem Leistungsstand. Das Leistungsabzeichen kann jährlich erworben werden und wurde im ersten Jahr vom Verein gesponsert. Aufgrund der überaus großen Beteili-gung in der abgelaufenen Flugsaison hat sich der Vorstand entschlossen, diese Aktion zu wiederholen. In den Folgejahren kann dann jeder Pilot erneut seinen eigenen, individuellen Fliegerhut zu einem günstigen Preis selbst bestellen. Das Vereinsemblem ist aufgebügelt. Der Rest ist in der jeweiligen Farbe gestickt.

Das Ergebnis der ersten Flugsaison mit diesem Förderkonzept kann sich sehen lassen. Die Fliegerhüte kamen gut an. Rund 25 Prozent der Pilotinnen und Piloten haben 2004 eine höhere Schwinge erworben. Dazu kamen in der Lizenzausbildung nochmals vier Alleinflug- beziehungsweise Lizenzabzeichen.
Die sportliche Gesamtbilanz des Vereins ist damit beachtlich: So wurde der Verbleib in der 1. Bundesliga gesichert. Und es wurden in der Saison 2004 nur wenig Streckenkilometer weniger als im Ausnahmejahr 2003 erfolgen - in einem Verein mit nur 40 aktiven Piloten eine beachtliche Leistung!
Wer nun den eigenen Verein mit dem Konzept der Schwandorfer voranbringen will, dem hilft Roland Biesen
(R.Biesen(X)t-online.de, (X)=@) mit Details, auch zur Beschaffung der Hüte, gerne weiter.

Text: Roland Biesen/Gerhard Marzinzik

Grafiken:  aerokurier, Roland Biesen

Fotos: Gerhard Marzinzik, Reiner Rose