Wer mit dem
Segelflug beginnt, dessen höchstes Ziel ist zunächst einmal die Lizenz.
Eigenverantwortlich fliegen können, das steht ganz oben auf der Wunschliste.
Aber was macht man dann mit dem Schein? So lapidar diese Frage erscheint,
ist sie in der Praxis nicht. Jedenfalls wissen viele Scheinneulinge nicht so
recht, wie es weitergeht, wenn sie denn erst einmal ihr großes Ziel erreicht
haben. Sie schaffen es nicht, die Lizenz als Basis für bereichernde
Segelflugerlebnisse, für das Lösen aus der heimatlichen Flugplatzumgebung,
für den Einstieg in spannende Streckenflüge zu nutzen. Oft sind sie allein
auf sich gestellt, ohne Unterstützung. Wer so stagniert, der hat mit dem
Luftfahrerschein schon den Höhepunkt seiner fliegerischen Karriere erreicht.
Was dann ansteht, ist die Wieder-holung längst gemachter Erfahrungen,
Langeweile, Frust und am Ende die Ausschau nach einer anderen (vermeintlich)
spannenderen Freizeitbetätigung.
Im Team zu Streckenflugerlebnissen
Bei den ehrenamtlichen Fluglehrern in den Vereinen erzeugt das nicht minder
Frust. Sie stecken viel Engagement in die Ausbildung und müssen dann sehen,
dass die neuen Piloten zum großen Teil dem Verein rasch wieder verloren
gehen.
Das muss nicht zwangsläufig so sein.
Jedenfalls nicht, wenn sich die Ausbildung zum Segelflieger nicht allein auf
die Schulung zum Luftfahrerschein beschränkt. Erst wenn über die
Lizenzausbildung hinaus die Piloten zum Streckensegelfliegen angeleitet
werden, öffnet sich für viele von ihnen die Erlebniswelt des Segelflugs.
Diese Piloten bleiben dem Verein erhalten, und die Fluglehrer dürfen sich
für ihren Einsatz belohnt fühlen.
Wie solch ein Fortbildungsangebot im
Verein aussehen kann, zeigt der Flugsportclub Schwandorf seit mittlerweile
zwei Jahren erfolgreich. Im Jahr 2004 hat das Förderkonzept den
Schwandorfern sogar die Auszeichnung im Segelflugszene-Wettbewerb Von Null
auf hundert
eingetragen, mit dem die pfiffigsten Konzepte gesucht wurden.
Ihr Preis: ein Volkslogger.
Wolfgang Schuierer und Roland Biesen
(li.), beide Segelfluglehrer des FLC
Schwandorf, haben das Konzept entwickelt. Ihr Leitmotiv für die
Streckensegelflugschulung: „Streckensegelfliegen ohne Stress“. Bereits nach
einer Flugsaison konnten sie beachtliche Erfolge verzeichnen.
Das Schwandorfer Konzept steht auf drei Säulen:
1) einem internen Teamwettbewerb,
2) Streckenflugschulung mit Übungen, dokumentiert in einem Streckenflugpass,
und
3) Leistungsabzeichen, die jedes Jahr neu erworben werden können.
Der interne Teamwettbewerb wurde in Anlehnung an bereits bestehende
Wettbewerbe in anderen Vereinen (LSG Bayreuth, SG Isartal) entwickelt. Die
Teilnehmer, das sind immerhin zirka 80 Prozent der PPL(C)-Piloten im FLC
Schwandorf, werden dazu in Teams eingeteilt.
Die Teams werden aus Streckenflugeinsteigern und erfahrenen
Streckensegelfliegern gemischt zusammengesetzt. Basis für die Unterscheidung
sind die Leistungen in der vorangegangenen Flugsaison, herangezogen wird der
jeweils punkthöchste OLC-Flug.
Um die Leistungen der Piloten dann für den Teamwettbewerb vergleichbar zu
machen, werden sie mit Bonus-/Malus-Faktoren belegt. Die Faktoren sind so
gestaltet, dass die Streckenfluganfänger für einen 200-Punkte-OLC-Flug 500
Punkte für ihr Team erhalten. Die Spitzenpiloten müssen für 500 Team-Punkte
bereits 1000 OLC-Punkte erfliegen. Jeder Teilnehmer kann zwei Flüge in sein
Team einbringen.
Die gemischte Zusammensetzung der Teams hat fast automatisch ein natürliches
Interesse der erfahrenen Piloten an den Streckenfluganfängern in ihrem Team
zur Folge. Denn letztendlich zählt die Teamleistung. Es kommt deshalb
zwangsläufig dazu, dass die Erfah-reneren sich der Einsteiger annehmen und
diese mitziehen. Am Jahresende wird mit einer Siegerfeier Bilanz gezogen.
Die zweite Säule des Förderkonzepts, der Streckenflugpass, kennt drei
Ausbildungsabschnitte, die sich am Leistungsstand des Streckenfluganfängers
orientieren. Für die Einstufung werden wieder die OLC-Punkte herangezogen:
In Stufe 1 fliegen die Einsteiger bis 100 OLC-Punkte, in Stufe 2
Fortgeschrittene bis 200 OLC-Punkte und in Stufe 3 Piloten mit 400
OLC-Punkten und mehr.
Die Trainingseinheiten zum Streckenflugpass konzentrieren sich dann in den
Leistungsstufen auf fünf Kompetenzbereiche:
> das Zentrieren und den Kreisflug,
> die Außenlandung,
> Navigation und Streckenflugplanung,
> den Vorflug und
> den Endanflug.
Die einzelnen Übungen dazu sind zum Großteil aus zentralen
Streckenfluglehrgängen, wie sie von Schulen und
Landesverbänden angeboten werden, abgeleitet und um weitere ergänzt worden.
In diesen zentralen Kursen werden Streckenflugtheorie, Meteorologie, der
Umgang mit Loggern und Auswerteprogrammen vermittelt. Auch dort wird in
Teams mit vier bis fünf Flugzeugen und jeweils einem Trainer geflogen.
Viel Augenmerk wird im Flugsportclub Schwandorf auf die Sicherheit gelegt.
So gehören zum Beispiel zum Kompetenzbereich Außenlandung Ziellandeübungen
am eigenen Platz, Außenlandeübungen mit dem Motorsegler und Landungen auf
benachbarten Plätzen. Im Bereich Navigation und Streckenflugplanung ist
zunächst viel Kartenarbeit mit anfänglich der 1:200000er-Karte mit
Flugsicherungsaufdruck und danach der ICAO-Karte nötig, um den Bereich bis
zirka 100 km um den Platz kennen zu lernen.
In den folgenden Flügen wird dann das theoretisch erwor-bene Wissen in der
Praxis umgesetzt. Bewusst wird in den
Übungsflugzeugen kein Moving Map eingesetzt, da die Zuordnung von
Landschaftsmerkmalen zum Kartenbild und umgekehrt wichtig für exakte
Positionsmeldungen und natürlich zur Navigation bei Störungen im GPS-System
ist.
Ins Training der Kompetenzbereiche Zentrieren und Kreisflug, Vorflug und
Endanflug sind nicht nur die Vereinsfluglehrer, sondern auch erfahrene
Streckenflug-piloten eingebunden, die dann als Coach fungieren. Geflogen wird
im Team. Im Debriefing werten die Streckenflugeinsteiger die Übungen mit
ihrem jeweiligen Coach mit Hilfe des aufgezeichneten Flugweges aus und
erfahren so, was gut gelaufen ist, wo Fehler gemacht wurden und was sie
verbessern können.
Die Trainingsschritte im Beispiel
Dazu ein Beispiel: Anhand einer Flugwegaufzeichnung eines
Streckenfluganfängers wird die Übung „Fliegen im oberen Drittel der
Basishöhe und Endanflug“ erläutert:
In Flugpfad und Barogramm (Abb.) ist der Übungsabschnitt für das Fliegen im
oberen Drittel gekennzeichnet. Der Flug wurde mit einem Flugzeug mit Index
100 durchgeführt. Üblicherweise werden Streckenfluganfänger Flugzeuge mit
Index 96 bis 106 fliegen. Falls hier andere Muster eingesetzt werden,
müssten die Kriterien angepasst werden.
Die Übungen für den Endanflug sind so aufgebaut, dass der erste aus 10 km
Entfernung und 1000 m Ausgangs-höhe bei MacCready 1 und Windstille geübt
wird. Das entspricht einem Gleitwinkel von 1:10. Die Entfernung wird bei den
ersten Übungen so gering gewählt, damit im Sinne von stressfreiem Fliegen
die Hürde zum Verlassen des Platzbereiches schrittweise überwunden werden
kann und der Übende den Platz noch erkennen und sich so von oben an den
optimalen Gleitwinkel herantasten kann. Der Anfangsgleitwinkel kann auch
höher als 1:10 liegen, je nach Anflugbedingungen. In Schwandorf wurde er so
gewählt, da es aus fast allen Richtungen die letzten 3 bis 5 km keine
Außenlandemöglichkeiten gibt.
In jeder Ausbildungsstufe wiederholen sich die Übungen auf einem höheren
Anforderungsniveau. Bei konsequenter Einhaltung ist die Leistungssteigerung
direkt zu verfolgen. Der Streckenflug-anfänger kann selbst leicht abschät-zen,
wo er steht. Bei Erreichen der Stufe 1 im Kompetenzbereich Vorflug mit einem
Schnitt von 40 km/h kann ihm schnell verdeutlicht werden, dass er in drei
Stunden einen OLC-Flug von 100 bis 150 Punkten erreichen kann.
Voraussetzung für alle Übungen und Streckenflüge außerhalb der Platz-umgebung
ist das Erreichen der Lern-ziele der Ziel-/Außenlandeübungen. Streckenflüge
in der Zeit der Abarbei-tung des Streckenflugpasses sind natürlich nicht
tabu. Schließlich soll ja das stressfreie Überlandfliegen vermittelt werden.
Der Spaß soll nicht zu kurz kommen.
Mit dem Erreichen der ersten OLC-Punkte werden – nach Alleinflugreife und
Lizenz – weitere Leistungsabzeichen erworben. Dies ist die dritte Säule des
Konzeptes.
Das Schwandorfer Leistungsabzeichen ist ein Fliegerhut mit Vereinsemblem,
dem Namen des Piloten, der Jahres-zahl und der entsprechenden farbigen
Schwinge, je nach erreichtem Leistungsstand. Das Leistungsabzeichen kann
jährlich erworben werden und wurde im ersten Jahr vom Verein gesponsert.
Aufgrund der überaus großen Beteili-gung in der abgelaufenen Flugsaison hat
sich der Vorstand entschlossen, diese Aktion zu wiederholen. In den
Folgejahren kann dann jeder Pilot erneut seinen eigenen, individuellen
Fliegerhut zu einem günstigen Preis selbst bestellen. Das Vereinsemblem ist
aufgebügelt. Der Rest ist in der jeweiligen Farbe gestickt.
Das Ergebnis der ersten Flugsaison mit diesem Förderkonzept kann sich sehen
lassen. Die Fliegerhüte kamen gut an. Rund 25 Prozent der Pilotinnen und
Piloten haben 2004 eine höhere Schwinge erworben. Dazu kamen in der
Lizenzausbildung nochmals vier Alleinflug- beziehungsweise Lizenzabzeichen.
Die sportliche Gesamtbilanz des Vereins ist damit beachtlich: So wurde der
Verbleib in der 1. Bundesliga gesichert. Und es wurden in der Saison 2004
nur wenig Streckenkilometer weniger als im Ausnahmejahr 2003 erfolgen - in
einem Verein mit nur 40 aktiven Piloten eine beachtliche Leistung!
Wer nun den eigenen Verein mit dem Konzept der Schwandorfer voranbringen
will, dem hilft Roland Biesen
(R.Biesen(X)t-online.de, (X)=@) mit Details, auch zur Beschaffung der Hüte,
gerne weiter.
Text: Roland
Biesen/Gerhard Marzinzik
Grafiken:
aerokurier, Roland Biesen
Fotos: Gerhard Marzinzik,
Reiner Rose
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